Arbeiten und Lernen an Kundenschnittstellen

Der Umgang mit Emotionen ist die schwierigste Herausforderung, die Mitarbeiter*innen an Kundenschnittstellen bewältigen müssen. Der Umgang mit fremden und eigenen Emotionen macht rund 50% der schwierigen Situationen aus, denen sie täglich gegenüberstehen. Das ergibt die Analyse meiner Abfragen zu Beginn von Reklamationstrainings und Seminaren im Umgang mit schwierigen Gesprächen.

Seit Beginn meiner selbständigen Trainingstätigkeit 2007 befrage ich meine Teilnehmer*innen in einschlägigen Seminaren, welche Situationen sie als besonders schwierig erleben, damit wir wissen, wovon wir sprechen und ich nicht von Vorannahmen geleitet werde. Im Anschluss stelle ich die Frage, welche Strategien sie bereits anwenden. Das zeigt mir einerseits, was sie bereits können und andererseits würdigt es auch die bereits vorhandenen Kompetenzen. Am Ende frage ich die Teilnehmer*innen, was sie denn im Seminar lernen möchten.

Alle Befragten arbeiten an Kundenschnittstellen, sei es persönlich, telefonisch und/oder schriftlich. Sie arbeiten im Handel, in Beratungseinrichtungen, in der Dienstleistungsbranche, Kulturbereich, Banken, Informations- und Kommunikationstechnologie, kommunale Einrichtungen, im öffentlichen oder privaten Bereich.

Es wird viel davon geredet, dass kulturelle Unterschiede und Sprachbarrieren eine schwierige Herausforderung an Kundenschnittstellen sind. Tatsächlich nehmen diese Themen nur 7% der Schwierigkeiten ein. Im Vergleich zum Thema Emotionen verschwindend. Selbst Probleme mit internen Schnittstellen und strukturelle Probleme (z.B. unhöfliche oder ungeschulte Kolleg*innen, Datenschutz, falsche Erwartungen durch Marketing und Werbung, u.ä.) verursachen mehr Erschwernis.

Ich habe in meiner Analyse das Thema Drohungen und Angriffe auf die eigene Person extra angeführt und nicht in den Umgang mit fremden oder eigenen Emotionen eingerechnet. Aus einem guten Grund. Solange das Schimpfen des Kunden aus der Distanz erlebt werden kann, ist man in einem noch als „sicher“ erlebten Raum. In dem Moment, wo man sich bedroht fühlt, ist man das nicht mehr. Da steigt die psychische Belastung sprunghaft an!

Was stellt man sich unter fremden Emotionen vor? Darunter fällt Schreien, Schimpfen, aggressives Verhalten, Sturheit aber auch Traurigkeit des Kunden. Unter die Rubrik eigene Emotionen wurden alle Verhaltensweisen gezählt, die an sich kein wütendes oder trauriges Verhalten des Kunden abbildet, aber bei der Mitarbeiter*in trotzdem heftige Emotionen auslöst. Das ist vor allem unhöfliches, unverschämtes, arrogantes und/oder herablassendes Verhalten, Verletzung der Werte oder auch Verständnislosigkeit des Kunden. Natürlich löst der Umgang mit fremden Emotionen ebenfalls eigene schwierige Emotionen aus, weshalb man sich diese Zahlen gedanklich addieren kann. Es gibt hier bei allen Nennungen immer wieder Überschneidungen. Der ganze Bereich Umgang mit Emotionen ist ein Thema, das sich, bei Überbelastung zu einem Gesundheitsthema für die Mitarbeitenden auswächst!

16% der schwierigen Situationen beziehen sich auf die Gesprächsführung. Dazu zählt zum Beispiel, wenn der Kunde nicht zuhört und nicht aufhört zu reden, wenn die Argumente ausgehen oder der Kunde völlig uneinsichtig ist, wenn er sich nicht an getroffene Vereinbarungen hält und Ähnliches.

Welche Strategien wenden Mitarbeiter*innen an, um mit diesen Herausforderungen klar zu kommen?

Überwiegend haben sie bereits Strategien gelernt, die hilfreich und selbstschonend sind. So zum Beispiel Empathisch /freundlich sein, mit Verständnis reagieren / die Perspektive des Kunden einnehmen, Lösungen anbieten, die Sprechweise ändern, Ernst nehmen und allen voran das Zuhören, das an sich schon wertvoll für den Kunden ist.

20% der Nennungen fallen auf Ressourcen die angewandt werden, wie z.B. Pause machen, positive Gedanken finden, Humor, sich die eigenen Kompetenzen bewusst machen, aber auch Atemübungen oder Bewegung. Supervision bzw. Intervision, also das Gespräch mit Externen oder mit Kolleg*innen sind ebenfalls eine wertvolle Ressource und kann dazugezählt werden.

Leider finden sich nicht nur gesundheitsfördernde Strategien, sondern auch solche, die die Eskalation fördern und die Belastung dadurch noch vergrößern. Unter der Rubrik Eskalierend abgrenzen (23%!) finden sich Verhaltensweisen, die auf den ersten Blick vernünftig erscheinen. Allen voran „Ruhig bleiben“. Ja, wer wünscht sich nicht, ruhig bleiben zu können, wenn der Kunde aggressiv, unhöflich oder abwertend ist?! Und heißt es nicht, dass Gefühle ansteckend sind? Leider funktioniert das nicht so. Das Ruhigbleiben des Mitarbeiters kommuniziert dem aufgebrachten Kunden eher, dass er in seinem berechtigten Ärger noch nicht verstanden wurde. Er erlebt das Ruhigbleiben als Distanzierung von seinem Problem und von ihm als Person, während er das genaue Gegenteil, nämlich Nähe, Verständnis und Engagement auslösen möchte (wenn auch mit ungeeigneten Mitteln, aber das erklärt sich mit unserem Steinzeitgehirn). Auch die Strategie des sich Abgrenzens löst eine unerwünschte Reaktion aus. Zurechtweisen, auf Fehler hinweisen, Verständnis vom Kunden einfordern sind weitere Reaktionen die unter eskalierendes Abgrenzen fallen. Sie alle führen zu einem Ansteigen der Eskalationsspirale und kosten die Mitarbeiter*in unnötig Kraft.

Unsere angeborenen Reaktionen auf aggressives Kundenverhalten sind leider ungeeignet und muss durch Training und Übung überwunden werden. Und manche Strategien werden über Bord geworfen, wenn den Mitarbeiter*innen klar wird, wie das menschliche Gehirn im Ärger funktioniert.

Was möchten Mitarbeiter*innen an Kundenschnittstellen noch lernen?

Das Ergebnis finde ich immer wieder beachtenswert und es macht mir die Wichtigkeit meiner Arbeit deutlich. Diese Menschen erleiden bei ihrer Arbeit psychische Verletzungen und sie möchten dringend lernen, ihre eigenen Emotionen kontrollieren zu können (41%!). Im Grund fallen auch die 5% Abgrenzen darunter, wollte sie aber anführen, um zu zeigen, dass manches, was Mitarbeiter*innen sich auch selbst aneignen, nicht unbedingt eine hilfreiche Strategie ist.

Der wenig ausgeprägte Wunsch, die Emotionen des Kunden kontrollieren zu können, zeugt mir von Respekt. Darüber steht vor allem, sich um sich selbst gut kümmern zu können, die Kompetenzen (22%) und Ressourcen (16%) zu erweitern.

All diese Lernbedürfnisse werden in meinen Seminaren erfüllt.